Geschichte der Sklaverei in den Amerikas

: Schwarzes Amerika. Eine Geschichte der Sklaverei. München 2008 : C.H. Beck Verlag, ISBN 978-3-406-56225-9 320 S. € 24,90

Heuman, Gad; Walvin, James (Hrsg.): The Slavery Reader. . London 2003 : Routledge, ISBN 978-0-415-21304-2 800 S. $50.95

Rezensiert für Connections. A Journal for Historians and Area Specialists von
Nora Kreuzenbeck, Historisches Seminar, Universität Erfurt

Die Geschichte der Sklaverei in den Amerikas vom 15. bis zum späten 19. Jahrhundert war ein globales Phänomen und betraf als zentraler Punkt der Moderne nicht nur die Amerikas und Afrika, sondern darüber hinaus auch Europa und weitere Weltregionen. Der Idee Paul Gilroys folgend, entstand durch das Phänomen der Sklaverei ein „Black Atlantic“, wobei der Ozean nicht etwa ein trennendes, sondern vielmehr ein verbindendes Element war, das per Schiff befahren werden konnte. Dieser atlantische Raum war eng vernetzt durch beständige Transfers von Menschen, Waren und Ideen zwischen den einzelnen Regionen der atlantischen Welt. Die Geschichte der Sklaverei in den Amerikas ist dem zufolge ein durch und durch transnationales Feld.

Zwar gibt es vor allem in der englischsprachigen Forschung bereits seit den 1960er-Jahren globalgeschichtlich angelegte Studien zur Sklaverei. Diese kamen aber aufgrund des Anspruches, ein mehr oder weniger allgemeines Bild der Sklaverei in der atlantischen Welt festzuhalten, über sehr schematische Narrative kaum hinaus und konnten den vielschichtigen Positionen einzelner Akteure selten gerecht werden. Darüber hinaus dominierten trotz der so offensichtlichen Transnationalität des Phänomens bis vor kurzem nationale Geschichtsschreibungen die Forschung zur Sklaverei in den Amerikas. Dies trifft besonders auch auf den deutschsprachigen Raum zu. Mit „Schwarzes Amerika. Eine Geschichte der Sklaverei“, das 2008 bei C.H. Beck erschien, legen die Historiker Jochen Meissner, Ulrich Mücke und Klaus Weber das erste deutschsprachige Übersichtswerk vor, das explizit und „konsequent eine transnationale Perspektive“ (S. 14) einnehmen will, indem es eben nicht einen Nationalstaat wie etwa die USA im Zentrum der Untersuchung betrachtet, sondern eine Vielzahl von Regionen in den Blick nimmt. Dabei setzt sich das Buch einen chronologisch strukturierten Rahmen, innerhalb dessen die Autoren einen Bogen spannen von der Sklaverei in der europäischen Antike bis zu einem Ausblick auf die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung im 20. Jahrhundert. Innerhalb der chronologisch verlaufenden Erzählung ist das Buch in verschiedene Themenbereiche gegliedert. Die daraus resultierenden Kapitel beschäftigen sich mit der Sklaverei als einer Form unfreier Arbeit, dem Wirtschaftsraum Atlantik, der Arbeit der Sklaven, Kultur der Sklaven, Widerstand, Grundlagen der Sklavenbefreiung, ihre Umsetzung in Lateinamerika und Afrika und die Zeit nach der Beendigung der Sklaverei. Bei dieser Breite an Themen gehen die Autoren exemplarisch vor und setzen einzelne Ereignisse und Akteurinnen und Akteure in verschiedenen Regionen in einen transnationalen Kontext. Dabei erheben die Verfasser keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit, sondern verweisen darauf, „dass ein einzelnes Buch einen so ausdifferenzierten und vielfach auch kontroversen Forschungsstand nicht vollständig abbilden kann, sondern eine Auswahl treffen muss“ (S. 14). Das Kapitel „Widerstand“ etwa betrachtet die Flucht von US-amerikanischen Sklaven nach Kanada mit Hilfe der „underground railroad“ ebenso wie die Revolution in Haiti und setzt sie in einen größeren Kontext von Möglichkeiten zum Widerstand im atlantischen System der Sklaverei. Das Kapitel „Arbeit“ stellt die von versklavten Menschen produzierten Agrargüter wie Zucker, Kaffee und Baumwolle ins Zentrum und schildert, wie in verschiedenen Regionen der Alltag der Menschen rings um verschiedene Produktionsweisen strukturiert wurde. Geeignet ist das Buch für ein interessiertes Laienpublikum, das sich bisher mit der Geschichte amerikanischer Sklaverei wissenschaftlich nicht auseinandergesetzt hat. Denkbar wäre ein Einsatz zum Beispiel als vorbereitende Lektüre für Studierende in Einführungs- oder Proseminaren, die sich dem Thema der Sklaverei aus einer überregionalen Perspektive nähern oder auch die Geschichte der Moderne in der atlantischen Welt in den Blick nehmen wollen.

Eine ideale weiterführende Ergänzung könnte in diesem Kontext der 2003 bei Routledge erschienene „Slavery Reader“ sein. Auch dieses Buch nimmt insofern eine transnationale Perspektive ein, als dass auch hier verschiedene Regionen der Atlantischen Welt in den Blick genommen werden. Der „Slavery Reader“ bezeichnet eine 800-seitige Aufsatzsammlung, die von Gad Heuman und James Walvin zusammengestellt wurde und als eine Art „guide“ (S. 2) durch eine immer unübersichtlicher werdenden Forschungslandschaft zum Thema „Sklaverei in der atlantischen Welt“ dienen soll, die gerade in den letzten Jahren durch eine Vielzahl an Publikationen geradezu überflutet worden sei. Die Aufsatzsammlung soll, so die Herausgeber, dabei nicht nur einen Einblick in den aktuellen Forschungsstand geben, sondern auch ältere, zum Teil kontrovers diskutierte Meilensteine der Forschung berücksichtigen. Tatsächlich liest sich bereits das Inhaltsverzeichnis wie ein „Who is Who“ der Geschichtsschreibung zum Phänomen der transatlantischen Sklaverei. 37 Aufsätze zahlreicher (alt)bekannter Größen wie David Eltis, Ira Berlin, Peter H. Wood, Herbert Gutman, Sidney W. Mintz, Richard Price sowie vieler weiterer Historiker und Historikerinnen, die das Untersuchungsfeld nachhaltig geprägt haben, sind hier veröffentlicht. Die Stärke des Konzeptes ist dabei vor allem, dass es einzelne Studien aus unterschiedlichen Epochen und Regionen der Amerikas zusammenbringt und zudem einen Einblick in die Geschichte der Geschichtsschreibung zum Thema Sklaverei eröffnet. Zusammen bieten die Aufsätze kein allgemeingültiges Bild von Sklaverei in den Amerikas, sondern betonen vielmehr die Vielfältigkeit von möglichen Perspektiven auf das Phänomen. Fachkundige, die sich neue Perspektiven und Zugänge erhoffen, werden dabei freilich enttäuscht werden und dürften auf bereits bekannte Texte stoßen. Für diejenigen, die sich zum ersten Mal wissenschaftlich mit der Geschichte der Sklaverei in den Amerikas und ihrer Geschichtsschreibung auseinander setzen, bietet die Aufsatzsammlung eine gute Möglichkeit, sich in das Thema fundiert einzulesen.

Der Sammelband ist eher thematisch denn chronologisch strukturiert. Die Aufsätze sind aufgeteilt in neun Sektionen, die jeweils von einem kurzen Einleitungstext der Herausgeber begleitet werden. Die Sektionen behandeln folgende Themenbereiche: „The Atlantic Slave Trade; Origins and Developement of Slavery in the Americas; Slaves at Work; Family, Gender and Community; Slave Culture; Slave Economy and Material Culture; Slave Resistance; Racial and Social Structure” und “Africans in the Atlantic World.” Dass sich dabei immer wieder Überschneidungen ergeben, und viele Aspekte sich gegenseitig bedingen, liegt auf der Hand. Auf einer zweiten Ebene lassen sich innerhalb der neun thematischen Sektionen einige größere Schwerpunkte ausmachen, die sich allerdings ebenfalls oft überschneiden und deshalb auch nicht eindeutig bestimmten Sektionen zuzuordnen sind. Es handelt sich bei diesen übergreifenden Schwerpunkten um die historische Entwicklung der Sklaverei und der sie beeinflussenden Faktoren, die Diversität der sich in den Amerikas herausbildenden Kulturen versklavter Menschen, und den Widerstand versklavter Menschen, der letztlich die Systeme der Sklaverei und damit die unterschiedlichen Gesellschaftsformen in den Amerikas entscheidend prägte.

So unterschiedlich die beiden vorliegenden Werke auch sein mögen, finden sich doch eine Reihe wichtiger Punkte, die in beiden Büchern immer wieder angesprochen werden: die Betonung der „Agency“ versklavter Menschen in der atlantischen Welt; moderner Rassismus als gewachsenes historisches Konstrukt; und die Zentralität beider Phänomene in der Entwicklung einer westlichen Moderne. „Schwarzes Amerika“ etwa „geht der Frage nach, welche Rolle die aus Afrika nach Amerika verschleppten Sklaven in der Geschichte der beiden Amerikas gespielt haben“ (S. 9) und kommt zu dem Schluss, dass versklavte Menschen „aktive Gestalter“ (S. 11) in der Geschichte waren. Versklavte Menschen werden dabei als handelnde Akteure dargestellt, die sich keinesfalls zu passiven Opfern machen ließen, sondern sich aktiv Handlungsspielräume erkämpften und dabei nicht nur Widerstand gegen das System der Versklavung leisteten, sondern gleichzeitig in erheblichem Maße beitrugen zu den diversen gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen der Regionen, in denen sie lebten. „The history of slave resistance is the story of slavery itself“ (S. 545) konstatieren dementsprechend auch Heuman und Walvin und betonen so, dass schwarze Menschen durch ständigen Widerstand gegen die Versklavung die sie versklavenden Europäer zwangen, das System der Sklaverei ebenso ständig zu modifizieren. Sklaverei war also immer ein Aushandlungsprozess zwischen den Versklavern und den Versklavten. Sowohl „Schwarzes Amerika“ als auch der „Slavery Reader“ zeigen demnach vielschichtige Rollen und Handlungsmöglichkeiten versklavter Menschen und räumen mit einer oft vorherrschenden Vorstellung von Afrikanerinnen und Afrikanern als passive, ohnmächtige Opfer eines von Europäern kontrollierten Systems auf. Die Darstellung schwarzer Menschen als „aktive Gestalter“ kann dazu beitragen, Vorstellungen von Afrikanerinnen und Afrikanern als unmündigen Objekten entgegenzutreten, die eben auch heute noch Bestandteil eines gegen „schwarze“ Menschen gerichteten Rassismus sind. Damit sollen allerdings keinesfalls die erlittenen Grausamkeiten relativiert werden, die versklavte Menschen in verschiedenster Art und Weise erfuhren.

Dementsprechend bemühen sich beide Werke, die historische Entwicklung des modernen Rassismus nachzuvollziehen. Die Sklaverei im atlantischen Raum war durch eine Vielzahl sich gegenseitig bedingender Faktoren gekennzeichnet, und dass ausgerechnet Afrikaner und Afrikanerinnen millionenfach Opfer amerikanischer Versklavung wurden, ist, wie Heuman und Walvin mit Nachdruck anmerken, keine historische Selbstverständlichkeit. Die Entwicklung rassistischer Kategorisierungen von Menschen im atlantischen Raum wird im „Slavery Reader“ in einer ganzen Reihe von Aufsätzen in den Blick genommen. Eine der großen Fragen, die der vorliegende Sammelband stellt, ist dem entsprechend: „Why Africans?“ um mit dem Titel von Patrick Mannings Beitrag aus dem Jahre 1990 zu sprechen. Rassistische Vorurteile gegenüber Afrikanern und Afrikanerinnen seien bei der Verschleppung von Menschen in die Amerikas zunächst nicht primär entscheidend gewesen. Vielmehr führte eine Vielzahl von Faktoren zur massenhaften Versklavung „schwarzer“ Menschen. Während zum Beispiel die indigene Bevölkerung der Amerikas aus verschiedenen Gründen in der aufkommenden Plantagenwirtschaft nur in kleinerer Zahl eingesetzt wurde, hatte die See- und Handelsmacht Portugal schon seit Jahrhunderten afrikanische Sklaven und Sklavinnen zur Arbeit auf den kanarischen Plantageninseln gezwungen und verschiffte schwarze Menschen nun mangels Alternative in die Amerikas (S. 78f.). In nie zuvor gekannter Menge produzierten versklavte Arbeitskräfte dort Waren wie Zucker, Kaffee und Baumwolle, die erheblich zu einem kulturellen und wirtschaftlichen Wandel in Europa beitrugen, den die Herausgeber des „Slavery Reader“ als „consumer revolution“ (S. 9) bezeichnen. Afrikanerinnen und Afrikaner brachten im Übrigen oft erst das benötigte Fachwissen für die Kultivierung dieser tropischen Produkte mit. Der Sklavenhandel mit seinen Bedingungen und Folgen wird dementsprechend in den vorliegenden Werken als zentral für eine frühe Globalisierung und der damit einhergehenden „transformation and the emergence of the Modern Western world” (S. 9) gesehen.

Wünschenswert wäre es gewesen, nicht nur mit einem transnationalen Blick auf die Sklaverei zu blicken, sondern Transferprozesse und Verknüpfungen zwischen einzelnen Regionen noch stärker sichtbar zu machen. Allzu oft stehen einzelne Regionen in den Amerikas nämlich in beiden Werken doch eher nebeneinander, als das sie miteinander verknüpft würden. Das ist sicherlich in beiden Fällen der Form der Publikation geschuldet. „Schwarzes Amerika“ als Übersichtsdarstellung kann hier kaum ins Detail gehen, während in „The Slavery Reader“ einzelne, unabhängig voneinander entstandene Aufsätze sich zwar zu ergänzen vermögen, aber letztlich doch ohne Verknüpfung nebeneinander stehen. Was „The Slavery Reader“ angeht, der doch einen Überblick über die wichtigsten Beiträge zur Sklavereiforschung geben möchte, wäre außerdem eine verstärkte konzeptionelle Betrachtung des Themas wünschenswert gewesen. Denkbar wäre zum Beispiel eine kritische theoretisierende Auseinandersetzung mit dem Konzept der „Black Diaspora“ gewesen, wie etwa Paul Gilroy oder darauf Bezug nehmend Robin D.G. Kelley sie vorgenommen haben.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass „The Slavery Reader“ und „Schwarzes Amerika“ gerade in Kombination eine äußerst empfehlenswerte Lektüre für Einsteiger in das Thema Sklaverei darstellen. „Schwarzes Amerika“, das aufgrund seiner Breite viele Aspekte nur anreißen kann, vermag einen ersten Einblick geben, während die Aufsätze in „The Slavery Reader“ als vertiefende Ergänzung und Einführung in verschiedene Perspektiven und Forschungsdebatten dienen können. Besonders erfreulich dabei ist vor allem die Lossagung von einer nationalstaatlich fokussierten Perspektive, die der Sklaverei als atlantischem Problem kaum gerecht werden kann.

Redaktion
Veröffentlicht am
26.03.2009
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension